1. Sammeln- warum? 2. Entwicklungsgeschichte von Röhrenradios 3. Schaltungstechnik
4. Reparatur- wie? 5. Einfacher Prüfstift

 

2. Entwicklung der verschiedenen Modellreihen

2.1. Röhrenserien in Deutschland

Beim Einordnen des Alters hilft fast immer die Röhrenbestückung weiter, weshalb wir uns mit dieser Frage zunächst etwas ausführlicher beschäftigen müssen. Die Regel, je größer die Röhre, desto älter das Radio, ist zwar teilweise richtig, führt aber nicht immer weiter.

Röhren bestehen aus einem Glaskolben, der im Vakuum die metallischen Innenteile wie Katode, Gitter und Anode enthält, und dem Sockel aus Preßstoff, der nur bei neueren Röhren wegen direkter Stiftdurchführungen im Glas fehlt. Entwicklungsgeschichtlich lassen sich typische Röhrenbauserien
verfolgen, die angegebenen Zeitspannen lassen mit wenigen Ausnahmen eine recht gute Einordnung zu. Dazu muß man die Röhrenschlüssel kennen, dieser läßt Rückschlüsse auf die Heizung, den Sockel und den Aufbau des Systems zu.

Wichtiges Kriterium ist der erste Buchstabe, der über die Art der Heizung Auskunft gibt. Dabei muß man Parallelheizung bei Wechselstrombetrieb und Serienheizung bei Allstrom (Gleich- und Wechselstrom möglich) unterscheiden. Je nach Stromart sind entweder alle Typen einer Serie für gleiche Heizspannung
bei Trafobetrieb oder gleichem Heizstrom bei Reihenschaltung mit Vorwiderstand vorgesehen. Darauf kommen wir bei der Schaltungstechnik noch einmal zurück. Das zweite wichige Kriterium ist die Zahlenkombination, die Aufschluß über den Sockel und damit indirekt über das Alter geben kann.

Aus diesem Grund sind diese wichtigen Angaben in Tabelle 2.1 getrennt zusammengefaßt, da sie für den Anfänger die einfachste Grundinformation für das Alter eines Radios enthält.

Tabelle 2.1: Die wichtigsten Bauserien der Radioröhren in Deutschland

Zeit 

Typ Sockel 
bis 1935 R-Typen 4- und 5pol. Stiftsockel, 8-pol. Hexodensockel
1935-1939  A 1-7 Außenkontaktsockel ("Topfsockel"), 5- u. 8-polig
1935-1939 C 1-7 Außenkontaktsockel ("Topfsockel"), 5- u. 8-polig
1936-1950 E 1-9 Außenkontaktsockel ("Topfsockel"), 8-polig
1938-1951  E 11-15 Stahlröhrensockel, 8-polig
1939-1951 U 11-15 Stahlröhrensockel, 8-polig
1950-1954 E/U 40er Rimlocksockel, 8-polig mit Metallkragen, bzw. Nase
1952-1967 E 80er Novalsockel, 8-polig
1952-1967 E 90er Pico-Sockel, 7-polig

Zunächst weggelassen wurden K- und D-Röhren für Batteriegeräte. P-Röhren, obwohl auf Flohmärkten häufig zu finden, wurden nicht in Radios, sondern in Fernsehern eingesetzt. Einzige Ausnahme sind einige Fernseh-/Radio- Kombinationen der 50er und 60er Jahre.

Einen weiteren Sonderfall stellen die E- und U-Schlüsselröhren dar, die mit 20er und 70er "Hausnummern" von 1941 bis 1950 vereinzelt verwendet wurden.

Bei einigen Serien, wie z.B. R, A und C ist damit schon klar, daß sie aus den 30er Jahren stammen und wir können uns freuen, wenn wir ein Radio damit ergattert haben.Gerade aber bei Radios mit Stahlröhren wird die Datierung schon schwieriger und wir müssen weitere Baumerkmale berücksichtigen.

Tabelle 2.2 gibt eine Übersicht über die Heizung der Bauserien, wobei extrem seltene wie G- oder H-Röhren, die in Deutschland praktisch keine Rolle spielten, weggelassen werden.

Da häufig auf Flohmärkten ganze Kisten mit P-Röhren stehen, sei darauf hingewiesen, daß diese für Radios nicht eingesetzt wurden. Ausnahmen bilden Fernseh-/Radio-Kombinationen der 50er und 60er Jahre.

Tabelle 2.2: Erster Buchstabe als Schlüssel für die Heizung

1. Buchstabe

Art der Heizung

Verwendung

A

4V Wechselstrom, parallel, indirekt 1935-1940

B

0,18A Gleichstrom, Serie, indirekt 1935/36

C

0,2A Allstrom, Serie, indirekt 1935/1940

D

1,2-1,4V Batterie, bzw. NiCd-Akku, direkt 1938-1960

E

6,3V Wechselstrom, parallel, indirekt 1936-1967

K

2V Bleiakku, direkt 1935-1940

P

0,3A Allstrom, Serie, indirekt (Fernsehen) 1951-1975

U

0,1A Allstrom, Serie, indirekt 1938-1958

R

4V Batt., 4V Wechselstrom oder 0,18A= 1927-1935

V

0,05A Allstrom, Serie, indirekt 1935-1950

Der zweite und eventuell weitere folgende Buchstaben geben Aufschluß über die Systeme und den Einsatzzweck der Röhren, Einzelheiten dazu entnimmt man Tabelle 2.3.

Tabelle 2.3: Nachfolgende Buchstaben für den Systemaufbau (2., 3., evtl. 4.)

 Buchstabe Art des Systems Beispiele
A Diode zur HF-Gleichrichtung  EAA 91, EAF 42, EABC 80
B Doppeldiode zur HF-Gleichrichtung EB 41, EBC 41, UBL 71, EBF 80 
C Triode für Kleinsignalverstärkung AC 2, EC 92, ECH 81 
D  Leistungstriode (Lautsprecher)  EDD 11, AD 1
E Tetrode für Kleinsignalverstärkung  UEL 11, UEL 51
F Pentode für Kleinsignalverstärkung AF 7, CF 3, EF 11, EF 41, EF 89
H Hexode oder Heptode (Mischer) AH1, ECH11, ECH81
K Oktode (Mischer/Oszillator) AH 1, ACH 1, ECH 11, ECH 81
L  Lautsprecher-Pentode AL 4, CL 4, EL 11, UL 41, EL 84
Y Einweg-Netzgleichrichter  UY 2, VY 1
Z Zweiweg-Netzgleichrichter AZ 1, AZ 11, AZ 41, EZ 80



2.2. Altersdatierung von Geräten

Dieses Kapitel hat sich in der Zwischenzeit fast erledigt, denn bei  www.radiomuseum.org  ist sofort unter Eingabe der Typenbezeichnung ein Zugriff auf die wichtigsten Daten aller in Deutschland gefertigten Röhrengeräte möglich. Ohne Mitgliedschaft bestehen Einschränkungen. So werden Bilder nur klein angezeigt und die komplette Röhrenbestückung fehlt. Trotzdem belasse ich die untenstehendan Ausführungen

Neben der Röhrenbestückung geben die Rückwände meist recht gut Auskunft über das Alter. Schwarze Blechrückwände sind ausschließlich Anfang der 30er Jahre zu finden, ansonsten sind die typischen Vorkriegsrückwände aus schwarzer Preßpappe (selten dunkelbraun wie z.B. bei SABA-Geräten oder dunkelgrau bei Philips).Damit ist klar: Graue oder mittelbraune Rückwände deuten in der Regel auf ein Alter nach 1945 hin, zumal wenn sie goldfarbene Buchstaben zur Beschriftung aufweisen.

Ein wichtiges Kriterium für die 30er Jahre sind auch auf der Rückwand angebrachte Lizenz- bzw. Kennzeichnungssymbole der Funkindustrie. Außer bei den Firmen AEG, Siemens, Telefunken und z.T. bei Philips finden sich bei den meisten Herstellern sechseckige LPU-Lautsprechersymbole (eine Hälfte weiß, die andere grün der Lautsprecher-Patent-Union) und dreieckige VDFI-Schildchen (Verband der Funkindustrie, eine Hälfte rot, die andere weiß). Finden sich diese einzeln oder beide auf einer Rückwand, kann man mit Sicherheit auf Baujahre bis 1939 schließen. Die Abbildung zeigt diese typischen Rückwandschildchen. Umgekehrt heißt das leider (oder zum Glück) nicht, daß es sich um ein
Nachkriegsgerät handeln muß. 

Typische Schilder des Verbandes der Funkindustrie (VDFI) und der Lautsprecher-Union (LPU), hier auf der schwarzen Rückwand eines Seibt 216W. Dies ist ein Einkreiser aus dem Modelljahr 1935/36.

Ein weiteres wichtiges Indiz ist die Skala, obwohl viele alte Geräte nach dem Krieg neue Skalen wegen des geänderten Wellenplanes von Kopenhagen  erhalten haben. Bogenförmige Skalen ohne Sendernamen deuten immer auf alte Geräte vor 1934 hin, einzige Ausnahme sind die Volksempfänger VE301 und DKE 1938, diese sind aber leicht zu identifizieren.

Ab Anfang 1934 war der Wellenplan von Luzern gültig, Sendernamen wie Kattowitz, Gleiwitz, Breslau u.ä. finden sich nur bei Vorkriegsgeräten. Tauchen hingegen Sender wie AFN, BFN, RIAS und NWDR auf, so handelt es sich um Nachkriegsgeräte, es sei denn, die Skala wurde nach dem Kopenhagener Wellenplan von 1950 gewechselt, was häufiger vorkam. Dann können wir aber mit den vorher genannten Kriterien der Röhrenbestückung und der Rückwände weiterkommen.

Typische Skala nach dem Wellenplan von Luzern. Am langwelligen Ende des MW-Bereiches liegt Budapest rechts von Beromünster.

Hier handelt es sich um die Originalskala eines Telefunken 975WK aus dem Jahre 1939.

 

Hier eine nach dem Kopenhagener Wellenplan nach dem Krieg gewechselte Skala, ebenfalls bei einem Telefunken 975WK.

Man beachte: Jetzt liegt Beromünster rechts von Budapest! An diesen beiden Sendern erkennt man immer das Alter der Skala.

 

Abstimmhilfen auf der Vorderfront der Geräte können u.U. ebenfalls herangezogen werden. Glimmröhren, deren Leuchtsäule als Feldstärkeindikator dient, und Schattenanzeigen, bei denen der Zeiger eines Meßwerks als Lichtschatten auf die Frontplatte projiziert wurde, gab es nur Mitte der 30er Jahre.

Ab 1936/37 hatten teurere Geräte ein "Magisches Auge" (AM2, C/EM2), zunächst nur in runder Ausführung. Der "Magische Fächer" und das "Magische Band" sind typisch für die 50er Jahre.

Drucktasten zur Bandumschaltung tauchen als Standard erst nach 1950 auf, bei Spitzengeräten der Vorkriegszeit gibt es ab und zu Drucktasten zur Feststationseinstellung und Sendervorwahl. Alles schon mal dagewesen, aber damals mit mechanischer Umschaltung der Vor- und Oszillatorkreise!

Die Gehäuseform läßt leider kein eindeutiges Datieren zu. Geräte in Hochkantformat, d.h. mit dem Lautsprecher über der Skala, evtl. noch oben rundlich, sind allerdings meist ziemlich eindeutig in die Epoche 1932-1935 einzuordnen. Ganz alte Netzempfänger aus der Anfangszeit (1929-1932) haben
häufig keinen eingebauten Lautsprecher. Dieser war in einem separaten Gehäuse
untergebracht.